Achtsamkeit statt Ritalin – wie ich durch die Schule kam…
*ein Beitrag von Kristina Myska
Ich gehörte zu den Kindern, die das Schulsystem nicht verstanden haben. Für mich war das Stillsitzen und der Frontalunterricht nicht mit meinem Selbst zu vereinen. Seit ich denken kann, habe ich gewisse Dinge hinterfragt und auf eine kindliche, naive Art verweigert.
Es begann schon im Kindergarten. Wir sollten uns alle an einen Tisch setzen und basteln. Ich hatte aber keine Lust und wollte lieber was anders machen. Als die Kindergärtnerin mir sagte, dass ginge jetzt nicht und ich muss jetzt basteln, habe ich mich gerade hingesetzt und Nein! gesagt. Als meine Mutter mich mittags abholte, gab meine Kindergärtnerin ihr ein Buch mit „Mein Kind ist ein Tyrann“ (oder so ähnlich). Zum Glück fand meine Mutter das ich alles richtig gemacht habe, denn sie hat mir beigebracht nein zu sagen. Denn ich war ein Kind und ich sollte, solange es geht, frei sein und machen, was ich wollte.
Meine Eltern ahnten allerdings das es nicht unbedingt leicht mit mir werden würde, in dem System was auf mich zukam.
Achtsamkeit oder Ritalin
Die Grundschule war noch ganz entspannt. Ich glaube ich war nie ein Kind, was gern in die Schule gegangen ist, aber in der Grundschule hatte ich Spaß. Ich hatte eine tolle Lehrerin, die für mich immer recht hatte. So war einer meiner wohl meisten Sätze: Frau Berndt hat aber gesagt … Meine Noten waren ganz passabel, ich hatte viele Freunde… So kam die Gymnasialempfehlung.
Alle meine Freunde gingen danach auf dasselbe Hamburger Gymnasium. Ich wollte aber auf die Schule, auf der auch meine ältere Schwester ging. Ein Fehler, aus heutiger Sicht.
Ich bekam Lehrer, die mich nicht verstanden und ich sie nicht. Ich erinnere mich an eine Situation: Es gab die Mathearbeit zurück, die Lehrerin schrieb den Durchschnitt an die Tafel. so und so viele 1, so und so viele 2 … und eine 5 und sie guckte mich an und grinste. Alle anderen Kinder guckten mich an. So verbrachte ich die 5 und 6 Klasse. Es eskalierte dann recht zeitnah als meine Klassenlehrerin meinte ich gehöre nicht auf ein Gymnasium, sondern direkt auf eine Sonderschule. Ich habe ein großes Glück, das meine Mutter eine so starke Frau ist. Sie währte sich mit allem dagegen, was die Schule sagte, und war sogar bereit das Bundesland zu wechseln, sollte es notwendig sein.
Trotzdem entschieden meine Eltern mich einigen Tests zu unterziehen. Ich machte einen Intelligenztest. Ich weiß noch das ich im Kopf das 1×1 aufsagte als ich Elektroden auf den Kopf bekam, weil ich nicht so doof sein wollte, wie die Schule es mir sehr klar sagte. Nach vielen Tests, kam raus, dass ich alles andere als doof bin, ich hatte aber eine Konzentrationsschwäche, eine Leserechtschreibschwäche und ich kann mir bis heute nicht mehr als 4 Zahlen merken. Diagnose: ADHS. Ich werde nie vergessen, wie der Arzt meiner Mutter das Rezept für Ritalin gab, meine Mutter aufgestanden ist, sich bedankte, das Rezept zerriss und wir gegangen sind.
Da kam Achtsamkeit das erste Mal in mein Leben. Ich begann als Alternative zu Ritalin mit Autogenem Training, ich puzzelte viel, fing an Geschichten zu schreiben und zu malen. Meine Mama brachte mir bei Dinge wahrzunehmen und mich darauf zu fokussieren. Lesen, vorlesen, kindgerechte Bewegung, viel Natur. Sehr gute und gesunde Ernährung, die recht zuckerarm war. Süßigkeiten bekam ich nur aus dem Reformhaus… Und so wurde aus einem ADHS-Kind ein sehr ruhiges Kind, das trotzdem und mit aller Überzeugung Nein gesagt hat und weiterhin die Lehrer gefragt hat warum man das jetzt auswendig lernen muss und „Es steht so im Lehrplan“ nicht als ausreichend empfand.
Die Schule und ich wurden also nie Freunde und ich bin meiner Mama unendlich dankbar. Für ihre Geduld, ihren Mut und für ihr Vertrauen in mich.
Die Schule und ich empfanden es als das Beste, das ich nach der 10. das Gymnasium verlasse und so lies ich die Schule hinter mir.
Ich erzähle offen meine Geschichte und wie schwer dieser Weg für alle Beteiligten war. Oft rufen andere Mütter meine Mama an und fragen nach Rat, wie sie es damals mit mir geschafft hat. Ihre Antwort ist immer: Vertrau auf dein Kind.
Ich möchte Niemanden sagen das Ritalin oder vergleichbares gut oder schlecht ist. Das muss jeder für sich entscheiden, aber ich möchte dazu ermutigen sich nach Alternativen umzuschauen.
Ein Leben ohne Medikamente
Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung, einige Jahre Berufserfahrung und arbeite mittlerweile als selbstständige virtuelle Assistentin. Das ich mein eigenes kleines Business führe, hätte wohl keiner der Lehrer damals gedacht.
Ich lese viel, mache Yoga, bin viel mit unserer Hündin in der Natur und man würde mir meine „ADHS“ Vergangenheit heute nicht mehr anmerken. Ich für meinen Teil kann sagen, ich war nicht hyperaktiv oder schwer erziehbar… Ich war gelangweilt, habe mich missverstanden gefühlt und war auf der Suche nach dem Sinn hinter dem Ganzen.
Zum Schluss noch eine meiner liebsten Anekdoten, die Schule für mich gut beschreibt:
Wir hatten eine Projektwoche zum Thema „Lernen lernen“. An sich eine gut Sache. Man hat also eine Woche lang verschiedene Lernmethoden gehabt, um rauszufinden wie man am besten lernt. Durch Lesen, schreiben, zuhören, selbst agieren… Am Ende dieser Woche stand ich mit meinem Ergebnis da, ging zum Lehrer und meinte: Okay, also ich lerne am besten, wenn ich Dinge ausprobiere oder mir selbst aneigne. Was mache ich denn nun mit dem Ergebnis. Der Lehre schaute mich an und meinte, naja, also in der Schule wird dir das nichts bringen. Aber damit musst du klarkommen. Die Schule wird sich nicht ändern. 16 Jahre später und er hatte so recht!